Zum 40. Jubiläum der Theatergruppe Kiesel hat die Schwäbische Zeitung ein Porträt von uns veröffentlicht:
Ingrid Kraft-Bounin
Schwäbische Zeitung 03.11.2023,
Was sich die Wangener Theatergruppe Kiesel zum 40. Geburtstag schenkt
Mit Leidenschaft und Herzblut stehen die „Kiesel“, wie sich die Schauspieler des Amateurtheaters nennen, auf der Bühne. Im Jubiläumsjahr mit einem
speziellen Stück.
„40 Jahre gehen rum wie nix“ witzelt Tilman Schauwecker, seines Zeichens GOL-Gemeinderat in Wangen, aber neben Hajo Fickus und Monika Schüler eben auch ein
Urgestein der Amateur-Theatergruppe Kiesel. Da hat es schon alles gegeben, sollte man meinen und doch geschieht manches im Jubiläumsjahr das erste Mal.In der Wangener Hägeschmiede spielen die
„Kiesel“, zu denen derzeit auch noch Hartwig Kienast und Michael Traub gehören, heuer zum ersten Mal ‐ sieht man von einer Online-Vorstellung während der Coronazeit einmal ab. Mit „Playing
Frankenstein“, dem ersten selbstgeschriebenen Stück von Hajo Fickus, beschenkt sich die Gruppe zum runden Geburtstag selbst.
Fünfköpfiges Team stellt Theater auf die Bühne
„Am liebsten würde ich jetzt noch ein paar Sachen umschreiben“, verrät Theatermacher Fickus ein paar Tage vor Programmstart bei den Proben. „So ist es vorher
immer“, fügt seine Frau Monika Schüler hinzu. „Es fällt einem noch etwas ein, was man verbessern oder ergänzen könnte“. An ihrem fünfköpfigen Team, so finden alle derzeitigen Ensemble-Mitglieder,
gibt es indes kaum etwas zu verbessern und sie wirken dabei tatsächlich wie langjährige Vertraute, Weggefährten und Freunde.
Manchmal macht einer eine Pause, aber ich kann mich nicht erinnern, dass jemand mal wegen eines Streits wegblieb,sagt Fickus.
„Wir sind nie riesig geworden“, schaut er zufrieden zurück. Aus dem Wangener Kulturleben ist die Theatergruppe Kiesel dennoch nicht wegzudenken. Junge
Nachwuchstalente wurden immer freudig begrüßt, auch wenn diese häufig wegen Ausbildung oder Beruf irgendwann aus Wangen wegzogen. Mehr als zehn Mitglieder hatte die Wangener Theatertruppe nie.
Ungefähr 50 ‐ meist moderne ‐ Stücke hat sie inzwischen auf die Bühne gebracht, meist Adaptionen für kleine Ensembles. Dabei scheute die Gruppe auch vor großen Namen nicht zurück: Brecht,
Dürrenmatt, Vian, Kafka, Tabori und schließlich Shakespeare.
Rund 120 Personen haben in den letzten vier Jahrzehnten irgendwann einmal bei den „Kieseln“ mitgewirkt. Darunter von Anfang an auch der Schauspieler und heutige
Thüringer Umweltminister Bernhard Stengele. Er kehrte erst jüngst zur Wangener Kulturnacht „Auf den Goddesagger“ zurück und kündigte der Theatergruppe für die Zukunft auch weitere Gastspiele im
heimischen Wangen an.
Corona brachte der Gruppe eine Enttäuschung
Seit 40 Jahren kommt das Amateurtheater ohne öffentliche Zuschüsse aus und finanziert seine Produktionen durch Einnahmen aus den Vorführungen. Und in all den Jahren
fiel noch nie eine Vorstellung wegen Krankheit aus. Nur Corona brachte der Gruppe eine derbe Enttäuschung. Mit einem Schreibwettbewerb zum Thema Corona hatten die „Kiesel“ über 380 Einsendungen
bekommen, ein Stück daraus entwickelt und bis zur Generalprobe gebracht ‐ dann erfolgte der Lockdown und die ganze Arbeit „war für die Katz“, bedauert Hajo Fickus noch heute.
Nur ein Problem begleitete die Schauspieler von Beginn an: „Die Suche nach Proberäumen war schon immer zäh“, erinnert sich Fickus, der so etwas wie der „Chef der
Kompanie“ ist ‐ oder „Mädchen für alles“, wie er sich selbst nennt. Er schlägt der eingeschworenen Truppe oft die Stücke vor, schreibt sie wenn nötig ein wenig um, er führt Regie und leitet
vielfach die Proben.
„Wir bringen uns alle bei allem ein“, betont Hartwig Kienast aus Isny, der 2009 zu der Theatergruppe stieß. „Es ist ein gemeinsames Entwickeln und Reinarbeiten in
die Stücke“, ergänzt Michael Traub. Für alle ist das Theater Hobby und Leidenschaft. Viele haben während der Jugend- und Studentenzeit schon gerne auf der Bühne gestanden. Alle gingen oder gehen
einem bürgerlichen Beruf nach und zwackten sich die vielen Stunden fürs Theater irgendwie von ihrer Freizeit ab.
Ihre erste Heimat fand die Kompanie in der Bücherei im Kornhaus, wo sie lange Jahre regelmäßig auftrat. Dann folgten auch immer mehr Auswärtsgastspiele: in Isny,
Freiburg, Stuttgart, Ravensburg oder Friedrichshafen und einmal sogar in Barcelona. Stolz ist die Theatergruppe auch darauf, dass man fast bei allen Wangener Kulturnächten mit einem Beitrag dabei
war.
Was die Gruppe weitermachen lässt
Und um alles kümmert sich die Theatergruppe selbst: Stücke entwickeln, Bühnenbild entwerfen, Kostüme, Maske, Requisiten, Texte lernen, Proben, Auf- und Abbau, Licht
und Musik, Regie und Schauspielen, Organisation. „Es ist die schiere Begeisterung und auch die gewachsenen Freundschaften“, so Tilman Schauwecker, „die alle zusammenhält und uns weitermachen
lässt“. Wie lange noch? Bei dieser Frage schauen sich die Mitglieder der Theatergruppe ein wenig ratlos an. „Nur eines ist sicher“, so Hajo Fickus, „der Frankenstein ist jetzt nicht unser
Abschiedsstück“.
Schwäbische Zeitung, April 2023
Neu interpretiert
Erlkönig wird
in Leutkirch zum Leben erweckt
Allgäu–Jazz–Quintett und Hajo Fickus zu
Gast im Bocksaal.
Jeder und jede kennt
wohl den „Erlkönig“ von Goethe. Aber so wie am Samstag im Leutkircher Bocksaal ist das Gedicht nie rezitiert worden. Hajo Fickus, Wangener Schauspieler und Literat, erweckt ihn zu Leben, lässt
mitfiebern.
Kongenial begleitet
vom sensiblen, mystischen Sound des Allgäu–Jazz Quintett. Gruseln und Grauen, bewegende Emotionen. Ein Höhepunkt der rund zweistündigen Performance „Dunkle Schwester des Tages — Stimmen und Töne
zur Nacht“.
Dagegen ist der
Splatter–Kultfilm „From Dusk till Dawn“ plattes Kalkül. Zumal das Programm einen weiten, einen sehr weiten Bogen schlägt. Von friedlicher Abendstimmung, wunderschön die Version „Be still my
heart“, gefolgt vom witzigen „Kabeljau schwimmt nach Haus“ (Hanns Dieter Hüsch). Über Schlaflosigkeit, Träume und Schatten der Nacht. Natürlich die Liebe , das Begehren, das Ineinander–Verankern,
Verhaken. Die Nacht ist nicht nur zum Schlafen da.
Berührende Momente
Der Sternenhimmel ist
Thema. Und das urschöne Lied von „Der Mond ist aufgegangen“, mit allen Strophen und akustischer Begleitung, gehört ebenfalls zu den berührendsten Momenten des Abends. Der Sänger hochsensibel,
beeindruckend. Überhaupt ist die Melange aus Hochliteratur und Schmunzelversen eine sehr gelungene. Die Musikauswahl der fünf Allgäu–Jazzer ebenso, von Standards bis zu feinsinnig interpretierten
Popsongs. Pardon: der vier Jazzer.
Nämlich Bernard
Monzel am Gesangs–Mikro (toll!), Werner Walravens an der Gitarre (er hat eine edle Sammlung seiner Instrumente dabei, ist ein Könner), Rainer Barthels am Kontrabass, Jörg Holik (Schlagzeug und
Percussion). Und natürlich Antje Hilmes–Walravens an den verschiedenen Querflöten. Präsent, musikantisch, virtuos.
Auch der Tag hat seine Träume
„God bless the child“
in dynamischer Fassung. Die Morgenröte kommt, es war die Nachtigall und nicht die Lerche, welch Irrtum. „You don´t know what love is“, fein. Aufwachen mit Ringelnatz, munter den Tag begrüßend.
„Aus meiner tiefsten Seele zieht, Mit Nasenflügelbeben, Ein ungeheurer Appetit, Nach Frühstück und nach Leben“. Die Nacht ist vorbei, Zeit für „Daydream“. Auch der Tag hat seine Träume.
Brahms, Tieck und Hajo Fickus bilden ein ungewöhnliches Gespann
Mit einem besonderen Liederabend im Dorfgemeinschaftshaus Deuchelried gestalteten der Bariton Peter
Schöne,
der in Wangen aufgewachsene Pianist Trung Sam und Hajo Fickus als Erzähler den Liederzyklus „Die schöne Magelone“ von Brahms nach der Erzählung von Ludwig Tieck. Der Meisterkurs, der einen
weiteren Teil dieses „Wangener Liedersommers“ darstellen sollte, muss entfallen, am Freitag folgt ein Chansonabend mit Daniel Pastewski (Bass) und Anni Poikonen (Klavier) im
Weberzunfthaus.
Die „Liebesgeschichte der schönen Magelone und des Grafen Peter von der Provence“ ist in ihrer wahrlich märchenhaften Fügung von glücklichen und unglücklichen Wendungen immer wieder von
besonderem Reiz. Ludwig Tieck hatte das Märchen aus älteren Sammlungen des 16. Jahrhunderts übernommen, als seine Volksmärchen im Jahre 1797 erschienen, wiesen sie den Weg in die literarische
Romantik. 60 Jahre später wurde Brahms von den feinen Verästelungen in Tiecks Sprache angeregt, der junge Ritter, dessen Herz immer wieder überfließt und sich zu Lautenbegleitung in gesungenen
Romanzen ergeht, hat wohl Manches in des Komponisten Seele in Schwingung versetzt.
„Die schöne Magelone“ hat es ein wenig schwer: Einerseits bilden Tiecks Märchen und die Vertonungen von Brahms eine stimmungsvolle Einheit, andererseits ist die weitschweifige Erzählung natürlich
aus der Zeit gefallen. Man kann Tiecks Text im Original lassen oder kürzen, man kann nur die Lieder singen oder, wie an diesem Abend, das Märchen in die heutige Zeit und Sprache hinüberführen.
Bei Hajo Fickus wird es eine Nacherzählung mit einem großen Schuss Ironie, mit Überlegungen („wie würde man dazu heute sagen?“), Einfügungen wie einer „italienischen Konversation“ – schließlich
ist Magelone die Tochter des Königs von Neapel – oder rhetorischer Distanz („Merken Sie sich die drei Ringe!“). Das ist witzig, ironisch gebrochen, subjektiv, holt die Menschen ab und lässt sie
doch teilhaben an der romantischen Liebesgeschichte: Der Held („Winnetou in blond“) bricht vom elterlichen Schloss auf, misst sich in Ritterturnieren, gewinnt das Herz der schönen Magelone,
entführt sie, ein Rabe stiehlt auf der Flucht die drei goldenen Ringe, die Liebenden werden getrennt und finden erst nach zahlreichen weiteren Gefahren und Erlebnissen wieder zusammen. Man
lauscht, staunt, schmunzelt über die fließenden Übergänge zwischen Text und Musik und taucht doch mit dem Sänger und dem Pianisten in eine ganz andere
Welt.
Trung Sam, der sich auf die so besondere Gattung der Liedbegleitung spezialisiert hat, gestaltet den schwingenden,
pulsierenden, manchmal kraftvollen, manchmal sanft wiegenden Klavierpart mit großer Sensibilität, Anschlagskultur und musikalischer Phantasie. So vom Klavier getragen, kann Peter Schöne mit
Farben, Dynamik und Ausdruck seines warm timbrierten und schlank geführten Baritons spielen. Manchmal darf er auftrumpfen, manchmal reißt es seinen Helden mit im Überschwang der Empfindungen,
Hoffnungen und Sehnsüchte. Peter Schöne kann sich mit feiner Kopfstimme zurücknehmen im Piano, wenn der Liebende seiner Magelone ein inniges Schlaflied singt, doch auch Ungeduld, Verzweiflung
oder zuletzt Gewissheit weiß er zu gestalten. Während Tiecks Held immer wieder zur Laute greift und singt, setzt Peter Schöne auch mit der Geige besondere kleine Akzente.
Zum Abschied und Dank für den begeisterten Applaus gab es von Hajo Fickus Eichendorff, von den Musikern den „Lerchengesang“
von Brahms.
von VERA STILLER
1923 erstaufgeführt hat sich die Theatergruppe Kiesel den Stoff des italienischen Dramatikers Luigi Pirandello nun ans Wangener Seelenmal gebracht. Ein Aufführungsort, der passender
kaum sein könnte.
Luigi Pirandello, 1867 in Agrigento geboren und 1936 in Rom gestorben, war einer der einflussreichsten italienischen Erzähler und Dramatiker des 20. Jahrhunderts. Seine ersten
bedeutsamen Werke waren Kurzgeschichten, die er in Zeitschriften veröffentlichte. Weltruhm erlange er schließlich als Bühnenautor. 1934 erhielt er denNobelpreis für Literatur.
Die Novelle „Der Tod am Leib“ wurde 1923 als Einakter unter dem Titel „Der Mann mit der Blume im Mund“ aufgeführt. Die Vorlage, so erzählt der Schauspieler und
RegisseurHajo Fickus, schlummerte schon einige Jahre in seiner Schublade, um jetzt an einem Ort aufgeführt zu werden, wie es ihn besser nicht hätte geben können: am Wangener
Seelenmal.
Das Publikum zeigte sich bei der Premiere am Dienstagabend von der darstellerischen Leistung von Hajo Fickus, aber auch von Hartwig Kienast und Monika Schüler begeistert. Viz Michael
Kremietz schuf mit seinen Klanginstallationen, vornehmlich jedoch mit der japanischen Zenflöte, zu den einzelnen Szenen die passende Atmosphäre.
„Der Mann mit der Blume im Mund“ ist ein „ebenso ernsthaftes wie schwarzhumoriges Stück“. Der Protagonist (Hajo Fickus) kennt sein Schicksal. Der Tod hat der Kranke eine Blume, ein
sogenanntes Epitheliom, in den Mund gesteckt. Ein friedlicher Tourist (Hartwig Kienast) begleitet den Mann, der hier „Cafégast“ genannt, auf dem Weg von Reflexionen über den Sinn des
Lebens und über seine unvermeidliche Schlussfolgerung. Trotz seiner Krankheit kämpft der Mann weiter, „wie eine Klettpflanze an den Stäben eines Gitters“.
Mal ein paar Sätze oder Begriffe in italienischer Sprache einwerfend, mal wie verrückt lachend, dann wieder nachdenklich eine Gesprächspause einlegend – Hajo Fickus ist der Kranke,
der sich an das Leben Fremder heftet, um „seine Phantasie ungehemmt betätigen zu können“. Für ihn kommt die Lust zu leben von den Erinnerungen, „an die wir gefesselt sind“. Wenn er
von dem Geruch des Lebens spricht, der in jedem Haus hängt, dann glauben wir als Zuschauer, ihn in der Nase zu haben. Wenn er vor einem Schaufenster steht, um die Tüchtigkeit der
jungen Verkäufer zu bewundern, dann stehen wir neben ihm.
Besonders stark wird dieses Mitdenken und Mitfühlen in einem Wartezimmer. Sitzen wir nicht auch dort und warten darauf, „was der Arzt sagen wird über die Krankheit, die man noch nicht
kennt?“
Mitten in das Gespräch hinein kommt ein Stadtführer (Gerold Fix) und erklärt den Fremden unter den Zuschauern das Seelenmal und dessen Bedeutung. Doch das Verschnaufen hält nicht
lange an. Mit dem Erscheinen der Frau des Todgeweihten (Monika Schüler), die sich ganz im Hintergrund hält, ist der Höhepunkt der dramatischen Handlung erreicht.
Der Mann vergleicht die „erst 34-Jährige“ mit einer streunenden, störrischen Hündin und sagt: „Je mehr man sie wegstößt, umso dichter bleiben sie einem auf den Fersen.“ Dabei weiß der
Mann, wie sehr seine Frau leidet. Mehr noch, sie will mit ihm sterben.
Die beiden Männer nehmen voneinander Abschied. Der Tourist muss seinen Zug erreichen, den er am Abend zuvor verpasst hat. Der Kranke gibt ihm noch eine Aufgabe mit auf den Weg. Wenn
dieser vom Bahnhof durch die Morgenkühle nach Hause läuft, solle er doch bitte das erste Grasbüschel am Wiesenrand nehmen und die einzelnen Halme für ihn zählen. Und zwar „so viele
Halme es sind, so viele Tage habe ich noch zu leben“. Als Nachsatz folgt keine Überraschung: „Aber suchen Sie ein ganz dickes Bündel aus, ja?“
Schwäbische Zeitung
Babette Caesar
Austherapiert bis zum Tod
Hajo Fickus überzeugt bei der Premiere des Einpersonenstücks „Der Heiler“ im Kornhaus
Er fläzt sich in seinem Sessel: Hajo Fickus als Psychotherapeut „Prof. Dr. Dr. Matthes Grebenhoeve“.
caesar
Wangen sz Applaus im Stehen haben die Zuschauer am Samstagabend in der Stadtbücherei dem Schauspieler Hajo Fickus in dem Einpersonenstück „Der Heiler“ von Oliver Bukowski gespendet. Fickus hat in
dieser Produktion der Theatergruppe Kiesel erneut seine enorme Bühnenpräsenz bewiesen, die mit wenigen Requisiten große Wirkung zeigt. Für die neben dem Darsteller auch Monika Schüler
verantwortlich zeichnet.
90 Minuten ohne Pause sind wie im Flug vergangen. Das ist in der Regel ein Zeichen dafür, dass ein Stück ohne Längen auskommt und der Zuschauer seine ganze Aufmerksamkeit selbigem widmet. Im
Mittelpunkt steht Hajo Fickus in der Rolle des über 60-jährigen Psychotherapeuten „Prof. Dr. Dr. Matthes Grebenhoeve“, eine Kapazität auf seinem Gebiet. Mit ihm auf der Bühne ein ledernes Sofa,
ein Sessel, ein Schwung leuchtend grüner Aktenordner und ein Mikrofon.
Blind vor der „Patientin“ Sophie
An dieses tritt er immer wieder dicht heran, um sich vor einer virtuellen Ethik-Kommission zu verantworten. „Verehrte Kollegen, ich erfreue mich trotz meines Alters bester Gesundheit, ich bin im
Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, ausgeruht und gut gefrühstückt“, brüllt er ins Mikro. Grebenhoeve ist leidenschaftlicher Therapeut, wohl wissend um die monetären Annehmlichkeiten seines
Berufsstands. Er ist Realist und kanzelt jeglichen esoterischen Schnickschnack in einem Atemzug ab. Denn was nütze einem das Philosophieren, hat man einen ganz kaputten Menschen auf der Couch
liegen.
Diese Blindheit vor dem „Patienten“ erfährt Grebenhoeve als „therapeutischen Supergau“ gleich zweimal. Erst der Phobiker Hinnerk Brade und dann die Borderlinerin Sophie Brettschneider begehen
nach einer Therapiesitzung Selbstmord. Der eine dankt ihm für sein berufliches Interesse, die andere dafür, dass er ihr das Leben gerettet habe. Das sind Grebenhoeves wunde Punkte.
Wechselbadartig pendelt Fickus zwischen einer Hoffnung auf Heilung und den Selbstzweifeln an vermeintlichen Fehlentscheidungen. Mal entspannt zurückgelehnt im Ledersessel, um „als letzte Instanz
für alle Notfälle“ sich zu beweihräuchern, dann wieder agiert er dicht am Bühnenrand, dem Publikum die Rolle der Ethik-Kommission zusprechend.
Als ein „Tanzen auf dem Minenfeld“ erlebt Grebenhoeve die Sitzungen mit der hochintelligenten Borderline-gestörten Sophie Brettschneider und rutscht ganz sachte immer tiefer in eine, wie er
betont „freundschaftliche Beziehung“ hinein. Diesen Nerven zerreibenden Spagat schafft Fickus monologisierend zu vermitteln – zwischen Therapeut und reiner Menschlichkeit in einer Gesellschaft,
die beides dringend nötig hat.
Sarkastisch und sehr berührend
Gen Schluss greift er sich auf dem Sofa sitzend das Mikrofon und erzählt das Drama sehr berührend zu Ende. Warum er splitterfasernackt – denn auch von seiner mit Wombats bedruckten Unterhose habe
er sich getrennt, weil sie nicht neben so einer Konfektionsgröße sterben wollte – tief und fest schlafend neben der Toten aufgefunden wurde und jetzt Rede und Antwort stehen muss. Er hat
aufgehört zu schimpfen, zu keuchen und sich zu verteidigen. Er ist bei der Erkenntnis angekommen, dass keine noch so gut erforschte Heilmethode hätte Sophie abhalten können, denn sie wollte
leben, aber nicht unter den herrschenden gesellschaftlichen Bedingungen.
Eine weitere Aufführung von „Der Heiler“ ist heute, 20. April, um 20Uhr in der Stadtbücherei im Kornhaus. Reservierung ist online unter www.theaternetz.org/theatergruppekiesel möglich.
Lyrik, Prosa und Vermischtes
Fünf Autoren stellen ihre Arbeit bei der Vierten Wangener Lesebühne vor
Da hat Initiator Helmuth Scheel (links vorne) einiges auf die Beine gestellt: Bereits zum vierten Mal präsentierten Wangener Autoren ihre Texte, von Lyrik über Prosa
bis hin zum Philosophischen. Vorne, von links: Annette Hengge, Ingrid Münsch und Walter Rech. Hinten links Hajo Fickus. Tom Raule begleitete den Abend musikalisch.
Da hat Initiator Helmuth Scheel (links vorne) einiges auf die Beine gestellt: Bereits zum vierten Mal präsentierten Wangener Autoren ihre Texte, von Lyrik über Prosa
bis hin zum Philosophischen. Vorne, von links: Annette Hengge, Ingrid Münsch und Wal (Foto: Tine Steinhauser)
Von Tine Steinhauser
Wangen / sz Bereits zum vierten Mal sind fünf Wangener Autoren auf die Bühne der Kornhausbücherei gestiegen, um Auszüge ihrer Werke vorzustellen. Initiator Helmuth
Scheel begrüßte rund 30 Literaturinteressierte und moderierte den Abend. Sanfte Lyrik, humorige Kurzgeschichten, fast Philosophisches-Essayistisches, zum Nachdenken anregende Prosa: immer wieder
ist es bemerkenswert, was für ein Spektrum an Literaturformen Wangener Autoren schaffen, wie viel Kreativität und künstlerisches Talent die Stadt hervorbringt.
Den Anfang machte Ingrid Münsch, die schon als junges Mädchen Gedichte schrieb und mittlerweile einiges veröffentlicht hat. „Das Schreiben war dann jahrzehntelang
verschüttet, bis ich es wiederentdeckte“, erzählte sie im anschließenden Autorengespräch. „Schreiben, um nicht reden zu müssen. Schreiben, um nicht weinen zu müssen“, heißt es da. Damit spricht
sie vielen Autoren aus der Seele, die die Schreibkunst als Ventil benutzen.
Hajo Fickus trat als nächster ans Mikrofon. Er hat sich als Schauspieler, Regisseur und mit diversen Theaterprojekten schon einen Namen gemacht. Seit zwölf Jahren
greift er auch zur Feder. Besondere Freude machte er dem Publikum mit seinem Text „Das Schweigen der Männer“, in dem ein Mann für fünf Minuten am Frühstückstisch schweigt. „Warum redest du nicht
mehr mit mir?“, fragt sie, die Ehefrau. Daraus entspinnt sich ein Streitgespräch, in dem der Mann am Ende als verschlossen, unkommunikativ, asozial und gar autistisch dasteht.
Annette Hengge aus Wangen löste Fickus am Mikrofon mit sanften, erzählerischen Gedichten ab. Auch sie hat bereits Texte in Anthologien veröffentlicht. Auffällig war,
dass sie die Einzige war, die sich des Reimes bediente. „Dann finde ich die Worte leichter“, sagte sie, „es ist mehr Rhythmus im Text, das bringt einen weiter“.
Im Anschluss las Moderator Scheel selbst. Er wagte sich an einen beinahe philosophisch-essayistischen Lyriktext über die Kunst. „Kunst beginnt im Wahrscheinlich
werden von Unmöglichem“, heißt es da. Im Gespräch fügte er hinzu: „Kunst als Freiheit, das ist für mich das Spannende“. Ein ungeheuer komplexer Text, lobte das Publikum, in dem für jeden etwas
drin ist, was hängen bleibt, was man mitnimmt.
Den Abschluss auf der Lesebühne machte Walter Rech, dessen Protagonist in der Kurzgeschichte „Auf dem Weg zum Ruhm“ seine ersten Zeichenkünste an den Rügener
Kreidefelsen ausprobiert. Und noch ehe die zwei Felsnasen auf dem Papier sind, kommt ein amerikanischer, Kamera behängter Tourist daher, der unversehens 400 Dollar aus den Taschen der
Bermudashorts zieht und das Bild kauft, ehe der Künstler wusste, wie ihm geschah.
Musiker Tom Raule aus Neuravensburg rundete den Abend mit Werken von Bach und Eigenkompositionen auf dem Marimbaphon ab.
Literaturverein Signatur präsentiert sein neuestes Buch „Im Schatten“ mit Werken von 20 Autoren
Wieder einmal war es ein ganz besonderer Abend, den der Literaturverein Signatur Kulturinteressierten in Tettnang bot. Präsentiert wurde das Buch „Im Schatten – Texte treten ans Licht“, in dem
Erzählungen und Gedichte von 20 Autoren aus der Region abgedruckt sind und damit förmlich aus dem Schatten der Schubladen der Schriftsteller treten konnten. Die bekannten Autoren Ingrid Koch und Hajo
Fickus zogen die Literatur-Begeisterten mit einer Textcollage in ihren Bann. Sie hatten sich die Mühe gemacht, Fragmente der 20 unterschiedlichen Texte in eine Form zu bringen. Auf elegante Weise
gelang es den beiden, die vielen so verschiedenen Texte zu einem zu machen. Das abwechslungsreiche Ergebnis machte Lust auf mehr. Dabei zeigte sich, dass beide genau wussten, was sie da lasen, dass
sie die Texte nicht nur gelesen, sondern förmlich aufgesogen hatten und wussten, was die Geschichten wollten, was sich die Autoren dabei gedacht hatten. Begleitet wurde das literarische Experiment
von einem Saxophon-Quintett der Musikschule Tettnang – und die teilweise geheimnisvollen Töne machten die Lesung auf dem Marktplatz der Volksbank Tettnang zu einem wahren Genuss. Appetit zum
Weiterlesen machten die dargebotenen Texte allemal. In dem 104-seitigen Werk sind insgesamt 20 Geschichten von Autoren abgedruckt, die sich im letzten Jahr beim Literatur-Förderpreis von Signatur und
der Volksbank Tettnang beworben hatten. Voll des Lobes war die stellvertretende Bürgermeisterin Sylvia Zwisler, die das Engagement des Tettnanger Vereins würdigte. „Die Erfolgsgeschichte von Signatur
seit fast 20 Jahren ist ein wahrer Gewinn für die Stadt“, lobte Zwisler. Jürgen Strohmaier, Vorstand der Volksbank Tettnang, fasste nach der Lesung zusammen, was wohl fast alle der 130 Anwesenden
dachte: „Sie haben mich begeistert, Sie haben uns alle begeistert“, lobte er. Angelika Banzhaf, langjährige Vorsitzende des Literaturvereins Signatur, bedankte sich herzlich bei allen, die an der
Buchproduktion beteiligt waren. „Es haben sich viele für unser neues Buch eingebracht. Und das tut wirklich gut“, sagte sie lächelnd. Gestaltet wurde der wunderschöne Band von Mediengestalterin
Natalie Niethammer. (Südkurier 27. 10. 2011)
Ingrid Koch und Hajo Fickus präsentierten neues Buch von Signatur
Tettnang (sz) – „Sie haben mich begeistert, Sie haben uns begeistert“, zieht Jürgen Strohmaier
(Vorstand Volksbank Tettnang) nach der lebendigen Lesung von Ingrid Koch und Hajo Fickus Bilanz. Die
Beiden haben am Donnerstag, 20. Oktober 2011, in der Volksbank Tettnang eine überaus spannende
Textcollage mit Werken von 20 Autoren präsentiert. Abgedruckt sind die Texte in dem neu erschienen Buch
„Im Schatten“, welches die Literarischen Vereinigung Signatur auf dem Marktplatz zum ersten Mal
vorgestellt hat. Langweilig wurde es den über 130 Zuhörern keinesfalls, denn die beiden Akteure haben
mit einem lebendigen Schauspiel verstanden das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Die Besonderheit:
Zu jedem Textauszug spielte das Saxophon-Quintett der Musikschule Tettnang eine Sequenz, die
inhaltlich das Vorgetragene melodisch untermalte, den Eindruck des Gelesenen, mal fordernd, mal
sensibel-feinfühlig unterstrich oder vertiefte. Appetit zum Weiter- und Nachlesen machen die
dargebotenen Texte allemal. Schließlich sollen die Fragen „Wie ergeht es dem Türken, der Deutscher
werden will und mitunter vergaß, wie stark ein türkischer Mann sein soll?“, „Was verbirgt sich
hinter dem 100-Euro-Schein, der in der blutgetränkten Hose eines „Hühnermörders“ steckt?“ oder „Wird
der Skisportler aus dem todbringende Bachbett doch noch gerettet?“ nicht unbeantwortet bleiben.
Antworten hierzu liefert das 104-seitige Werk. Es enthält nicht nur die drei Preisträger-Beiträge des
letztjährigen Förderpreises. In ihm sind auch weitere 17 Texte von Autoren (unter ihnen Erika Walter
und Stefan Hock aus Tettnang) der Region abgedruckt, welche von der Signatur-Jury ausgewählt wurden.
Sylvia Zwisler, stellvertretende Bürgermeisterin, hob die Bedeutung von Vereinen und das Engagement von
Menschen hervor, die etwas bewegen. „Tettnang kann stolz auf Signatur sein“, so ihre Aussage.
Signatur-Vorsitzende Angelika Banzhaf dankte allen am Buch Beteiligten sowie Jürgen Strohmaier für die
jahrelange Unterstützung. „Es haben sich viele für unser Buch eingebracht. Und das tut gut.“
Ein besonderes Augenmerk richtete Lorenz Göser auf die Gestaltung von „Im Schatten“, das die
Handschrift von Mediengestalterin Natalie Niethammer trägt. „Im Innern des Buches spielt ein Baum eine
wichtige Rolle. Er trägt am Anfang ein dichtes Blattwerk. Dieses wird zum Ende immer lichter. Auf jeder
Seite fallen einzelne Blattsymbole zu Boden, die inhaltlich zum Text gehören und ein wichtiges
Gestaltungselement darstellen“, so Göser. Auf Seite 103 treten schließlich die Texte ans
Licht, wie auch der Untertitel verspricht.
Begleitet wurde die Buchpräsentation von der Fotoausstellung „Schattenbilder“. Die Fotos, arrangiert
von Natalie Niethammer, können noch bis zum 16. November während der Geschäftszeiten in der
Volksbank Tettnang eG besichtigt werden.
Gekauft werden kann „Im Schatten –Texte treten ans Licht“ ISBN-Nr. 978-3-943389-00-5 zum Preis
von 14,80 Euro im Buchhandel, beim Bodensee Medienzentrum oder bei Signatur. www.signatur-literatur.de
Signatur Lesung im „Ritter“ in Laimnau - Poetenkunst stößt auf dankbares Publikum
Laimnau (sz) – Die fröhliche „April April“-Lesung von Jürgen Weing, Hajo Fickus und Roland Hainmüller am 10. April im „Ritter“ in Laimnau hat an den Tag gebracht, was der Frühlingsmonat
verspricht: Ein Feuerwerk sprießender, kreativ-explodierender Schaffens- und Poetenkunst. Bereits zum fünften Mal hat „Signatur“ zu dieser Lesung eingeladen.
Die drei Autoren hätten nicht unterschiedlicher auftreten, sie hätten dem Publikum ihre Werke nicht ungewöhnlicher präsentieren können. Jürgen Weing aus Dentenweiler spielte bewusst mit der
Sprache, führte gewollt Brüche mit herkömmlicher Grammatik und Wortsilben herbei, lockte das Publikum aus der Reserve und setzte neue Wort-Beziehungen her. Seine Dichtkunst wurde zur Kunst des
Be-Dichtens von Personen, Situationen, Experimentellem. Gewollt aneinander reibende und keck miteinander kommunizierende Klangepisoden mit und durch die Tuba (Musiklehrer und Komponist Bernhard
Klein) luden das begeisterte Publikum zum interaktiv Agierenden ein.
Bühnenreif war der Auftritt von Hajo Fickus (Wangen). Der Schauspieler, Lehrer, Regisseur sowie Gründer des Theaters Kiesel setzte seine Texte in Szene, so wie man es von ihm gewohnt ist und wie
es beim Dialog „Der hilfreiche Dichter“ zum Ausdruck kam. Mit der Zunge schnalzend simuliert Fickus Wasser-Tropfen, die sich immer schneller von der Decke ergießen. Sein flehender Ruf: „So dichte
doch Dichter, das Wasser steht mir bis zum Hals. Dichte, Dichter!“ überraschte mit der, für Fickus typischen, Pointe. Auch bei „Die „Baumbesetzung“ fabulierte der Wangener neckisch-unterhaltsam.
Der mit diversen Preisen ausgezeichnete Autor versteht es, aus Poesie und Lyrik ein Wortspiel, Spiel der Worte, Spiel der Sätze, der Rhythmik zu schaffen. Seine Texte, Dialoge, Reime sind
sensibel, faszinierend-fesselnd und Gebilde eines Kunst-Wort-Werkers. Sie beinhalten Episoden, groteske Storys und Skurriles.
Seine Bekenntnis zur schwäbischen Sprache, zur Mundart, zum schwäbisch-unkonventionellen, jedoch handwerklich perfekten, Liedgut, ist eine der Stärken von Roland Hainmüller. „Der Brochenzeller,
auch als Glossenschreiber der Schwäbischen Zeitung bekannt, schreibt seit den 90er Jahren immer wieder ernsthaftere Gedichte, wobei durchaus auch Heiteres herauskommt, “ freute sich Moderator
Lorenz Göser. Mit „Barbara, Barbara“, ein Hit auf schwäbisch, brachte er am Sonntagnachmittag dem Publikum eine offenherzig, reale Alltäglichkeit so liebenswert nahe, dass man immer wieder
schmunzeln musste. Sein Blick für die Feinheiten und „Normalitäten“, einer zwischenmenschlichen Beziehung, welche dann eben doch keine Normalitäten sein können, zeigen, welche Fülle der Spezies
Mensch auch poetisch zu bieten hat. Diese Fülle kann sich jedoch nur in Liedern und Texten ergießen, wenn man diese Feinheiten zu entdecken weiß, so wie Roland Hainmüller dies versteht.
Zwei Stunden unterhielten die Autoren sehr abwechslungsreich ihr Publikum. „Gerne hätte ich noch eine weiter Stunde zugehört“, bekundete ein Gast aus Tettnang, „so kurzweilig war der Nachmittag“.
Da die Lesung so positiv ankam, will die Literarische Vereinigung die Veranstaltung wiederholen.
„Annahme verweigert“, aber nicht die der Preise
NEUTRAUCHBURG / sz 75 Einsendungen von Erwachsenen und drei von Schülern sind anlässlich des diesjährigen Schreibwettbewerbs beim Arbeitskreis Literatur des Kulturforums Isny eingegangen. Die
sechsköpfige Jury hat das literarische Material gesichtet und die bestplatzierten Autoren am Sonntag während des Literatur-Frühschoppens im Berggasthof Haldenhof zum Abschluss der Isnyer
Literaturtage vorgestellt. Alle Lesungen der vergangenen zehn Tage seien sehr gut besucht gewesen, blickte Kulturforumsleiterin Annette Sturm in ihrer Begrüßung zurück. Und auch am Sonntag konnte
sich der Frühschoppen über einen wahren Besucheransturm freuen. Walter Braun von der Kreissparkasse Ravensburg, die die Literaturtage unterstützt, hob den kulturellen Tiefgang dieser
Veranstaltungsreihe hervor. „Annahme verweigert“ lautete das Thema, welches die Preisträger auf sarkastisch-bissige und gesellschaftskritische, auf erzählerische, humorvolle und nachdenklich
machende, lyrische und wortverdreherisch raffinierte Weise angegangen sind. Stefanie Kemper im Wechsel mit Herbert Pfeiffer moderierte den Vormittag mit Angaben zu den Autoren und ihren Werken.
Nachdenklich stimmte die Kurzgeschichte „Aussicht in Weiß“ von Dr. Helmuth Scheel aus Wangen. Er eröffnete als Drittplatzierter den Reigen der Gewinner mit einem leisen poetischen Text über die
Begegnung mit der dementen Mutter. „Du bist mir ein Rätsel“, entgegnet sie dem Sohn, schaut aus dem Fenster und verweigert so die Annahme seiner Hilfe. Von den 17 eingesandten Gedichten erklärte
die Jury „Bär fängt Forellen“ von Dieter Mross aus Bad Grönenbach zum Besten. „Wäre es möglich, dass ich gar nichts sage?“, reagierte Pfeiffer spontan auf die Eindringlichkeit dieser Zeilen.
Gerichtet an den Vater und dessen Pranken, die alles konnten, nur nicht den Sohn ein einziges Mal umarmen. Und der „Platz Eins-Text“? Der kommt von Hajo Fickus, der, so Kemper, schon oft den
Isnyer Schreibwettbewerb gewonnen habe. „Stimmt gar nicht, nur einmal!“, konterte dieser sofort und legte los – lautstark in ungebrochenem Redeschwall mit „Die Annahme“ als rasend schnelle
Parodie auf einen Beamten, der sein Gegenüber nicht zu Wort kommen lässt. Furios, wie er dieses wortgewaltige Gewitter auf „Ich will, darf, muss annehmen, also nein, nehmen Sie doch mal Vernunft
an“ über das Publikum ergoss. Annahme total verweigert, aber nicht den ersten Preis. Den nahm Fickus dankend entgegen.
(Schwäbische Zeitung online 19.04.2011)
Mit Raffinesse ein paar Sekunden ausloten
ISNY/sz) Wie „So ein paar lumpige Sekunden" ein Leben verändern können, davon erzählen die fünf Texte, die am Sonntagvormittag beim Literatur-Frühschoppen im Berggasthof Haldenhof prämiert
wurden. Es sind die besten des diesjährigen Schreibwettbewerbs. Ihre raffinierte Gestaltung und unmittelbare Gegenwärtigkeit waren entscheidend.
Von unserer Mitarbeiterin Babette Caesar
Im Namen des Kulturforums und des Arbeitskreises Literatur begrüßte Annette Sturm die Zuhörer im ausgebuchten Haldenhof. Stefanie Kemper und Herbert Pfeiffer moderierten anschließend den
Vormittag. Dr. Erhard Schneider übernahm den musikalischen Part am Klavier mit frischen kurzweiligen eigenen Kompositionen. Das diesjährige Thema „So ein paar lumpige Sekunden" hat als
Hintergrund die Momo-Ausstellung in Kunsthalle von Friedrich Hechelmann und damit das übergeordnete Motto „Zeit". Rasend schnell ziehen so ein paar lumpige oder auch lausige Sekunden am Leben
eines Menschen vorbei und doch können sie in aller Kürze die Wegrichtung entscheidend verändern. Pfeiffer las hierzu einen Text von Ulf Borchardt mit eben diesem Titel. Humorvoll und ernst geht
es darin zu, wenn sie, die Sekunden, einen auf dem falschen Fuß erwischen, sich anschließend aber nicht um ihre Opfer oder Glückspilze scheren, sondern einfach vorüber ziehen. Sind eben
Witzbolde, lautete das Fazit.
So kurz wie ein Wimpernschlag
Weniger witzig ging es in dem Gedicht von Larissa Günther und der Erzählung von Jana Schmitt zu. Günther, Jahrgang 1993, die in Leutkirch die zehnte Klasse des Hans-Multscher-Gymnasiums besucht,
und die 1994 in Düsseldorf geborene und in Knottenried bei Immenstadt lebende Schmitt sind die Preisträgerinnen des Schülerwettbewerbs. Sie teilen sich unter den insgesamt elf eingereichten
Beiträgen den ersten Preis, da sich die Jury nicht für eine von beiden entscheiden konnte. Betitelt mit „Und ein Schatten" handelt Günthers Lyrik von der Kürze des Lebens, das so schnell wie ein
Wimpernschlag und so sanft wie Katzenpfoten vorbei huscht. Mit der Radikalität der Jugend, kommentierte Pfeiffer, lässt sie kein Hintertürchen offen. Gleiches, aber mit den Stilmitteln der
Erzählung, hat Schmitt in ihrem den Erdbebenopfern auf Haiti gewidmeten Text getan. Sich fiktiv in die Rolle einer von dieser Katastrophe Betroffenen versetzend, machte ihr Vortrag bedrückend
still.
Bevor die drei Preisträger aus der Kategorie der Erwachsenen die Bühne betraten, las Claudia Schmid einen Text von Hans Weiss aus Bad Hindelang und Hajo Fickus inszenierte sein Gedicht
„Sekundenschlaf". Das zeitlich, aber ungewollt deplazierte „Tüt" aus Wendelins Bläserhorn, das sich angehört haben soll wie der Furz eines Elefanten, sorgte in der Geschichte von Weiss für viel
Heiterkeit. Fickus hingegen wandte sich wortspielerisch dem einen Autofahrer übermannenden Schlaf zu und machte dieses Gefühl des Wegsackens und immer neuen sich Aufraffens körperlich spürbar.
Bis hin zum Blindflug, denn schließlich muss der Schein gewahrt werden.
Vom Moment der Erkenntnis
An Rüdiger Krause aus Isny und seine Erzählung „Für sich selbst" ging der dritte Preis unter den insgesamt 79 Einsendungen. Wie er war auch Philipp Huning, ebenfalls Isny, nicht anwesend. Seine
Geschichte „Ein Mädchen wird groß" kam auf den zweiten Platz. So lasen stellvertretend Gabriele Koeppel-Schirmer und Sigrid Hülsen-Schubert von dem alles entscheidenden Moment, in dem Anna ihrem
Hans das Ja-Wort gab, ihr Herz aber laut protestierte, und von der zehnjährigen Hanna, die in kaum merklicher Zeit ihre Angst vor der Dunkelheit überwand. Den ersten Preis nahm Christina Pirker
für ihre „Kürzestgeschichte: Morgengrauen" entgegen. Sie kommt aus Frankfurt, lebt jetzt im Kreuztal und hat bereits vor zwei Jahren den Wettbewerb gewonnen. Pirkers Morgengrauen zeichnet das
Danach einer leidenschaftlichen Liebesnacht auf, wenn Marie aus dem Fenster blickt, er guten Morgen sagt und sie mit „es schneit" antwortet. Den schalen Geschmack der Erkenntnis, dass die beiden
zu weit gegangen sind, aber nicht tief genug, rückte die akzentuiert lesende Autorin in greifbare Nähe. So nah und gegenwärtig, dass sich die gelesene Zeit mit der des morgendlichen Erwachens
deckt. Sprachlich sehr raffiniert!
(Schwäbische Zeitung 15.03. 2010)
Heilmanns lachende Gesichter sprechen Betrachter an
(WANGEN/sum) Die Wangenerin Elisa Heilmann zeigt in diesen Tagen in der Bücherei im Kornhaus in Wangen eine rührende und berührende Ausstellung. Sie hat Menschen mit Behinderung auf
scharz-weiß-Bilder gebannt. Fast lauter lachende fröhliche Bilder. Am Freitag war Eröffnung.
Elisa Heilmann arbeitet in Weingarten im Körperbehindertenzentrum Oberschwaben. Sie kennt die Behinderten. Sie weiß um sie, und sie genießt ihr Vertrauen. So überrascht es nicht, wenn die
Menschen auf den Bildern den Betrachter offen anstrahlen oder vielleicht auch mal eher schalkhaft lächeln. Dieses Lächeln ist so ganz anders als das, was laienhafte Familienporträt in Fotoalben
zeigen, wie Laudator Hajo Fickus anmerkte. „Eine merkwürdige Spontaneität geht von ihnen aus", sagte Fickus. „Und das, obwohl die Porträtierten wissen, dass die fotografiert werden." Für ein
großes Vertrauen und große Zuneigung zwischen Fotografin und den Menschen, die sie vor die Linse holte, spreche das. "Das gefällt mir", befand Fickus. Und noch viel mehr gefiel ihm -
beispielsweise die Fröhlichkeit, die aus den Gesichtern leuchtet. „Das Betrachten von fröhlichen Menschen kann einen fröhlich machen - das gefällt mir." Oder die Tatsache, dass Elisa Heilmann
nicht den Voyeurismus befriedigt, sondern ihrem jeweiligen Gegenüber die Würde lässt. „Der andere wird nicht auf seine Defizite und Gebrechen reduziert." Für Kommunikation sorgten an diesem Abend
nicht nur die schönen Fotos. Auch die Musiker waren Thema der Gespräche. Anders als sonst oft bei ähnlichen Veranstaltungen, wenn Musik als schmückendes Beiwerk gehört, höflich beklatscht und
vergessen wird, haben sich die drei Jazzer mit dem Namen „Jazz Spirit" aus der Region Wangen ins Gedächtnis eingegraben. Mit Gong, Hang, Didgeridoo, Shrutibox, aber auch Trompete, Saxophon oder
Klavier gaben sie dem Abend eine ganz unverwechselbare Note. Die Improvisationen von Klängen während des offiziellen Teils überraschten und gingen im Wortsinn tief unter die Haut. Dass sie auch
anders, nämlich jazzig können, zeigten André Müller, Kuno Seebaß und Michael Fließ später als Begleitmusik zu guten Gesprächen. Wobei mancher Vernissagebesucher weniger sprach und noch mehr
lauschte.
(Schwäbische Zeitung 07. 03. 2010)
Hajo Fickus stellt sein Buch vor
Vera Stiller in der Schwäbischen Zeitung (Lokalausgabe Wangen) vom 19. 05. 2009
WANGEN - Hajo Fickus hat am Samstagabend in der Kornhausbücherei sein Buch "selbst. eigenes (gelbe rosen)" vorgestellt. Er tat dies auf seine ganz spezielle und unterhaltsame
Weise.
Dass er nach eigenen Angaben nie eine Meisterschaft in der Kunst des "Smalltalks" gewinnen wird, ist bekannt und basiert auf keiner Koketterie. Dafür kann er aber Regie führen, schauspielern,
rezitieren und jede Menge darstellerischer Ideen hervorbringen. Seit Samstagabend kommt noch etwas hinzu - und das Schwarz auf Weiß: Hajo Fickus ist ebenso ein exzellenter Geschichtenerzähler
und feinsinniger Lyriker.
Unveröffentlichtes ist zu hören
Das als "neu" angekündigte Bändchen "selbst. eigenes (gelbe rosen)" gibt es bereits in zweiter Auflage. Allerdings erfuhr die Erstausgabe eine so kräftige Korrektur und Umgestaltung ("Mehr
Texte, weniger Bilder"), dass man letztendlich von einem "neuen Buch" sprechen kann. Verfeinert durch klangliche Effekte und einprägsamer Darstellungskunst, in die Ehefrau Monika Schüller
teilweise eingebunden war, bot Hajo Fickus Kostproben eben dieses Erstlingswerkes. Und nicht nur das: Neben dem "Zusammengestellten aus den Jahren 2002 bis 2005" gab es ebenso noch nicht
Veröffentlichtes. Mit "Dichter, dichte doch du" wurde die bedrückende Situation des "Wassers, das uns schon bis zum Hals steht" beschworen. Die Fantasien einer betrunkenen Mutter, die sich
von Neil Young im August 1969 geschwängert glaubt, entführten nach Woodstock und zu der Erklärung des Autors, dass nicht alles Geschriebene autobiografisch sei.
Besonders beeindruckte die zahlreichen Zuhörer das Gedicht "Manchmal", in dem von möglichen Horrorszenarien auch in unserer Stadt die Rede ist - doch: "Es geschieht wirklich nur ganz selten,
eigentlich fast nie!" - und die makabren Betrachtungen eines Gefängniskoches, dem es obliegt, den Delinquenten die "Henkersmahlzeit" zu kredenzen.
Heiter nahm sich dagegen der "sketchartige" Text aus, der Hajo Fickus und Monika Schüller den Dialog zwischen "Hinz und Kunz" führen ließ und die Inbesitznahme eines Baumes zum Thema hatte.
Dazwischen blühte immer wieder jene gelbe Rose auf, die dem Buch zu seinem Titel verhalf: "Eine einzelne gelbe Rose in einer Vase aus farblosem Glas kann einfach sie selbst sein.".
Christel Voith in der Schwäbischen Zeitung (Lokalausgabe Tettnang) vom 23. 03. 2007
Nicht nur bei der Signatur-Lesung: Schnee liegt auf dem Frühling
KRESSBRONN - Vier Autoren der literarischen Vereinigung "Signatur" haben am Mittwochabend in Kressbronns Bücherei pünktlich zum Frühlingsbeginn Texte zum Thema "Frühlingserwachen"
gelesen. Und dies dem heftigen Schneetreiben zum Trotz...
Wie Lorenz Göser in seiner Begrüßung bemerkte, schreibt zwar jeder, der sich zum Schreiben berufen fühlt, für sich allein, dennoch tue das gegenseitige Anhören den Einzelnen gut. Anregungen
werden von den Autoren gerne angenommen, das Angebot zu gemeinsamen Lesungen noch lieber.
So sind an diesem Abend Hajo Fickus, Roland Hainmüller, Jonas Hock und - als einzige Autorin im Quartett - Christa Hagel nach Kressbronn gekommen und haben Kostproben ihrer Arbeit gelesen. Jeder
bekam eine Viertelstunde Lesezeit, so dass man am Ende nicht aufseufzte, sondern sich eher wunderte, dass der Abend so schnell verflogen war.
Roland Hainmüller las Gedichte, begann mit Impressionen zum Frühlingsanfang. Hier versammelte er augenzwinkernd alle Klischees, die man gemeinhin mit dieser Zeit verbindet, vom Hausputz über
verstärkten Güllegeruch auf den Wiesen bis zu erwachenden Liebesgefühlen. Die diesjährigen Wetterkapriolen regten ihn zum Sinnieren über den Klimawechsel, zur Frage nach Versäumnissen der Politik
an. Satirisch nahm er Käuferströme und damit verbundene Blessuren beim Winterschlussverkauf aufs Korn, ebenso den Kampf ums Idealgewicht: "Mich hat mein Bäuchlein nie belastet."
Hajo Fickus breitete in seiner Kurzgeschichte vom "Frühling eines genügsamen Menschen" genüsslich, doch immer dezent bleibend aus, wie ein Witwer am Fenster eine unbekleidete junge Frau durchs
Fenster gegenüber bei der Morgentoilette beobachtet. Seit Wochen schon richtet er seinen Zeitplan danach aus, um auch ja keine Einzelheit zu versäumen.
Wenig frühlingshaft, sondern eher düster waren die Phantasien, die der Tettnanger Gymnasiast Jonas Hock in Gedichten und Kurzgeschichten vorlas. Seine Tulpe wächst im Gedicht aus einer sterbenden
Seele, seine Geschichte mit dem Titel "Frühjahrsputz" lässt einen Mann, der ein Leben lang unter der Oberflächlichkeit des Lebens, der "Sterilität der Gefühle" leidet, seine Erlösung in der
Selbstverbrennung finden, die endlich den "himmlischen befreienden Schmerz" bringt, während die letzte Erzählung einen verletzten Soldaten auf dem Trümmerfeld beobachtet.
Ganz anders die naturverbundenen, lebensfrohen Gedichte, die Christa Hagel mitgebracht hat und die Zuhörer aus einem Körbchen ziehen lässt. In ungewöhnlichen Bildern fasst sie sinnliche Eindrücke
in knappen Zwei- bis Fünfzeilern zusammen: "Der Wind treibt ein Lachen ins Gesicht - Frühling" oder "An dein Ohr dringt unerwartet früh Amselgesang."